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Stadtgeschichte
Bis zu den Umwälzungen in der napoleonischen Ära stand Harsewinkel unter der Herrschaft des Klosters Marienfeld. Preußisch geworden, erlebten die Bauern und Handwerker einen lang anhaltenden wirtschaftlichen Niedergang, in dem sich erst nach 1880 Anzeichen einer Verbesserung zeigten. Seine Industrialiserung hat die Stadt einem Impuls von außen zu verdanken - der Ansiedlung der Firma Claas. Die Jahre nach 1945 waren schließlich durch den Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen und Arbeitsmigranten von einem tief greifenden demographischen Wandel geprägt.
In einer Heberolle des nahe gelegenen Klosters Freckenhorst aus der Zeit um 1090 wird zum ersten Male der Ortsname Harsewinkel erwähnt. Archäologische Funde weisen aber darauf hin, dass die Besiedlung des Gebietes von Harsewinkel weiterzurückreicht bis in die Bronzezeit. Etwas früher noch als Harsewinkel wird der Ortsname Greffen erstmals in der Geschichte greifbar, durch eine Schenkung des Münsteraner Bischofs Robert, die auf die Jahre 1042 bis 1063 datiert werden kann.
Das wichtigste Ereignis des Mittelalters für den Raum Harsewinkel war die Gründung des Zisterzienserklosters Marienfeld durch Widukind von Rheda, Bernhard II. zur Lippe, Bischof Hermann II. von Münster und andere westfälische Adelige. Noch heute ist die 1222 geweihte spätromanische Klosterkirche ein weithin sichtbares Dokument der Baukunst der Mönche. Dem Kloster gelang es recht schnell, zum Grund und Boden, mit dem es von seinen Gründern ausgestattet worden war, weitere Höfe in seinen Besitz zu nehmen. So waren am Ende des Spätmittelalters fast alle Bauernhöfe im Gebiet der heutigen Stadt Harsewinkel der Marienfelder Abtei eigenhörig. Diese bestimmte auch das geistliche Leben: Nicht nur der Pfarrdechant in Harsewinkel, sondern auch der Pfarrer der 1250 gegründete Pfarrei Greffen wurde vom Kloster ernannt. Seit dem 16. Jahrhundert bis zur Auflösung des Klosters waren es zumeist Mönche, die in Harsewinkel und Greffen das Amt des Seelsorgers ausübten.
Auch die kleine ackerbürgerliche und handwerkliche Siedlung Harsewinkel blieb vom Kloster Marienfeld abhängig. Zwar besaßen die Harsewinkeler seit 1592 das Recht, zweimal im Jahr einen Markt abzuhalten. Aber ihr kleines Wigbold (=Weichbild) entwickelte nicht einmal in Ansätzen städtische Rechte. Erst 1770, nach Jahrzehnte langen Auseinandersetzungen, wurden die Einwohner von Harsewinkel aus der Eigenhörigkeit des Klosters entlassen, mussten dafür aber eine jährliche Ablösesumme an das Kloster entrichten.
Das Jahr 1803 brachte zwei tiefe Einschnitte mit sich: Das Fürstbistum Münster, zu dessen Gebiet Harsewinkel bisher gehört hatte, wurde in das Königreich Preußen eingegliedert. Neuer Landesherr der katholischen Harsewinkeler wurde der evangelische preußische König. In diesem Jahr wurde außerdem nach über 600 Jahren mönischem Leben das Kloster Marienfeld durch die neuen Landesherren säkularisiert und in eine Staatsdomäne umgewandelt.
Harsewinkel - von 1806 bis 1814 zu dem von Napoleon gegründeten Großherzogtum Berg gehörig - war in preußischer Zeit eine eigene Bürgermeisterei, zu der Harsewinkel, Marienfeld und seit 1820 auch Greffen gehörten. Von 1841 an waren diese drei Ortschaften selbständige Gemeinden im Amtsverband Harsewinkel. Erster von der preußischen Obrigkeit eingesetzter Bürgermeister war Eduard Wilhelm Wendland aus Westpreußen. In Harsewinkel ließ er in der Ortsmitte ein stattliches Bürgerhaus im klassizistischen Stil errichten - das erste steinerne Gebäude nach der alten St. Lucia Kirche. Bis heute prägt das Wendland-Haus das Gesicht des Marktplatzes.
Im 19. Jahrhundert lag Harsewinkel für lange Zeit abseits der großen Verkehrsverbindungen. Hinzu kam, dass der traditionelle Handel mit Garn und die Verarbeitung von Flachs und Hanf in der ersten Jahrhunderthälfte zusammenbrachen. Eine lange wirtschaftliche Stagnation, verbunden mit einem Rückgang der Bevölkerung durch Wegzug in die benachbarten Industriegebiete und durch Auswanderung, war die Folge. Besserung sollte erst eintreten, nachdem Harsewinkel seit 1883 mit Warendorf und Gütersloh durch gepflasterte Straßen verbunden worden war. 1900 folgte schließlich durch die Teutoburger Wald Eisenbahn auch ein Anschluß an das Eisenbahnnetz. Dadurch verbesserten sich für die Landwirte die Möglichkeiten, ihre Produkte nach außerhalb zu verkaufen und zugleich den dringend benötigten Kunstdünger und das Futtergetreide heranzuschaffen. Nach und nach bekamen auch die Handwerker und Kaufleute diesen Aufschwung in der Landwirtschaft zu spüren.
Von einer industriellen Entwicklung konnte im 19. Jahrhundert trotz einiger Fleisch verarbeitender Firmen und einiger Hartsteinwerke, noch keine Rede sein. Diese begann erst, nachdem sich 1919 der Landmaschinenhersteller Gebrüder Claas aus Clarholz-Heerde kommend in Harsewinkel niedergelassen hatte.
Von einer industriellen Entwicklung konnte im 19. Jahrhundert trotz einiger Fleisch verarbeitender Firmen und einiger Hartsteinwerke, noch keine Rede sein. Diese begann erst, nachdem sich 1919 der Landmaschinenhersteller Gebrüder Claas aus Clarholz-Heerde kommend in Harsewinkel niedergelassen hatte.Die anfänglich noch handwerklich arbeitende Firma entwickelte sich in wenigen Jahren zu einem industriellen Betrieb mit mehreren 100 Beschäftigten und wachsendem Flächenbedarf.
Der Strohbinder, der so konstruiert war, dass er für Erntemaschinen verschiedener Hersteller verwendet werden konnte, eigene Erntemaschinen und seit der Mitte der 1930er-Jahre die Produktion eigener Mähdrescher waren die Grundlagen für den raschen Aufschwung der Firma. Dieser brachte einen schellen Anstieg der Einwohnerzahl mit einer großen Zahl industriell Beschäftigter mit sich. Auch in Greffen entwickelte sich mit der Schuhfabrik Claves eine erste industriell produzierende Firma.
Nach dem 2. Weltkrieg setzte sich die in den 1920-er Jahren begonnene Entwicklung dynamisch fort. Die Einwohnerzahl von Harsewinkel stieg - bedingt zunächst durch den Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen - stark an und übertraf den Vorkriegsstand im Jahr 1950 um mehr als ein Drittel.
Zum Landmaschinenhersteller Gebr. Claas, der von der rasch voranschreitenden Technisierung der Landwirtschaft profitierte, kamen in allen drei Ortsteilen weitere Industriebetriebe hinzu, so dass sich Harsewinkel mehr und mehr zu einem attraktiven Standort entwickelte, der die Vorteile einer guten Infrastruktur mit den Vorzügen der ländlichen Umgebung verbindet. Diese Vorteile zogen weitere Neubürger, seit den 1960er-Jahren auch ausländische Arbeiter und Angestellte, an, so dass die Einwohnerzahl sich in den Jahren zwischen 1950 und 1972 noch einmal verdoppelte. Der Bau neuer Wohnsiedlungen, die Entstehung eines modernen Stadtzentrums an Stelle des alten Dorfkerns, der Bau neuer Schulen, die Eröffnung eines Freibades Anfang der 1960er-Jahre und die Anlage einer Parkanlage im Moddenbachtal sind äußere Zeichen dieser Entwicklung.
Nach einer Phase nur langsam steigender Einwohnerzahlen stiegen diese seit dem Ende der 1980er-Jahre, bedingt durch den Zuzug von Aussiedlern aus Russland, Kasachstan und anderen neuen Staaten auf dem Gebiet der UdSSR sowie von ausländischen Flüchtlingen erneut, deutlich an. Heute ist Harsewinkel, das seit 1973 mit den drei Stadtteilen Harsewinkel, Greffen und Marienfeld eine Stadt bildet, Lebensmittelpunkt für fast 24.000 Menschen.
um 1800 v. Chr.
Entstehung erster dauerhafter Siedlungen.
6. - 8. Jahrhundert n. Chr.
Keramikfunde weisen auf eine sächsische Besiedlung im Raum Harsewinkel hin.
772 - 804
Eingliederung des Gebietes zwischen Rhein und Weser in das fränkische Reich unter Karl dem Großen, Gründung von Bistümern.
9. Jahrhundert n. Chr.
Entstehung der Pfarrei Harsewinkel, die von Greffen im Westen bis Isselhorst im Osten reichte. Vermuteter Bau einer ersten Kirche, die später durch den 1857 abgerissenen romanischen Bau abgelöst wurde.
1042 / 1062
Erste urkundliche Erwähnung von Greffen.
1090
Erste urkundliche Erwähnung von Harsewinkel in einer Heberolle des Klosters Freckenhorst
1185
Gründung der Zisterzienserabtei Marienfeld. Diese bringt nach und nach fast alle Höfe in Harsewinkel und Greffen in ihre Eigenhörigkeit. Auf dem Gebiet der heutigen Stadt Harsewinkel hat das Kloster eine fast geschlossene Grundherrschaft.
1222
Weihe der spätromansichen Klosterkirche Marienfeld. An der Weihe nimmt unter anderem der inzwischen zum Bischof von Selonien im heutigen Lettland aufgestiegene Klostergründer Bernhard II. zur Lippe teil.
1229
Erstmalige urkundliche Erwähnung des Harsewinkeler Pfarres als Dechant.
1250
Bildung der selbstständigen Pfarrei Greffen.
um 1500
Bau einer neuen Kirche in Greffen, die mit dem romanischen Turm verbunden wird.
1592
Harsewinkel erhält das Recht, jährlich zwei Vieh- und Jahrmärkte durchzuführen. Die Dorfbewohner beanspruchen besondere Rechte gegenüber den Bauern und bezeichnen ihre Siedlung als Wigbold.
1633
Überfall der Harsewinkeler auf das Kloster Marienfeld. In dem sich anschließenden langjährigen Prozess um die Rechtsstellung des Dorfes Harsewinkel unterliegen dessen Einwohner dem Kloster.
1662, 1697 und 1716
Großbrände verwüsten große Teile des Dorfes Harsewinkel. Ursache des Brandes von 1716 ist die Unvorsichtigkeit von Kindern beim Osterschießen.
1719
Anschaffung einer Brandspritze.
1746 - 1751
Bau der barocken Orgel in der Marienfelder Klosterkirche durch Johann Patroklus Möller.
1770
Entlassung der Einwohner des Dorfes Harsewinkel aus der Eigenhörigkeit. Sie werden damit Freie, die nicht mehr der Zustimmung des Grundherrn bedürfen, wenn sie ihre Wohnstätte verlassen und sich anderenorts niederlassen wollen.
An die Abhängigkeit erinnert eine jährlich zu zahlende Ablösegebühr.
1802
Harsewinkel wird mit dem östlichen Münsterland von preußischen Truppen besetzt.
1804
Einführung der preußischen Verwaltungsgliederung. Harsewinkel gehört zum Kreis Warendorf. Die Siedlung an der St. Lucia Kirche wird in der Bekanntmachung zur Gründung des Kreises erstmals als Stadt bezeichnet.
1808
Eingliederung des östlichen Münsterlandes in das Großherzogtum Berg. Nachdem das Münsterland bereits 1806 von französischen Truppen besetzt worden war, wird mit der Eingliederung in das Großherzogtum Berg die französische Verwaltungsgliederung eingeführt. Anton Wilhelm Linzen wird Maire von Harsewinkel.
Seither: Zusammenbruch des ländlichen Textilgewerbes und der Austauschbeziehungen ins Ravensbergische und Hannoversche, die sich auch in der erneuten preußischen Zeit nicht erholen. Beginn einer bis in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts andauernden Stagnationsphase.
1815
Erneute Einführung des preußischen Verwaltungssystems. Die Bürgermeisterei Harsewinkel wird dem Kreis Warendorf zugeordnet und umfasst zunächst Harsewinkel-Stadt, Harsewinkel-Kirchspiel und Marienfeld.
1818 - 1846
Eduard Wilhelm Wendland ist Bürgermeister von Harsewinkel (seit 1841: Amtmann).
1828
Greffen wird der Bürgermeisterei Harsewinkel zugeordnet. Erstmals findet der Kleesamenmarkt nicht mehr in Marienfeld, sondern in Harsewinkel statt.
1841 / 1844
Bildung des Amtes Harsewinkel, bestehend aus den Gemeinden Harsewinkel-Stadt, Harsewinkel-Kirchspiel,Greffen und Marienfeld. Auch Harsewinkel-Stadt wird als Landgemeinde verwaltet.
1848
Der Arzt Bernard Gottfried Kranefuß und der Kaufmann Leopold Kleybolte gewinnen als Anhänger der demokratischen Revolution zeitweilig politischen Einfluss in Harsewinkel.
1853
Mit der Einführung von Georg Diepenbrock (1853 - 1891) beginnt eine über 60 Jahre währende Ära in Harsewinkel, die erst mit dem Tod seines Sohnes August 1918, Amtmann ab 1891, zu Ende geht.
1857 - 1860
Bau der neugotischen St.-Lucia-Kirche nach Plänen des Oelder Architekten Emil von Manger. Ein Turm wird wegen Zeitmangels zunächst nicht gebaut.
1882
Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Harsewinkel. Diese löst die alte Zwangsfeuerwehr, zu der alle Einwohner herangezogen wurden und die sich als wenig effektiv erwiesen hatte, ab. Dreißig Jahre später folgten die Feuerwehren in Greffen und Marienfeld
1883
Fertigstellung der gepflasterten Chaussee von Sassenberg nach Gütersloh, die durch die Dorfkerne von Harsewinkel und Greffen führt.
1893 / 1894
Neubau einer Dienstwohnung für den Amtmann mit Amtsbüro. Erstmals bezieht die Verwaltung damit eigene Räumlichkeiten.
1899
Eröffnung des St. Lucia Hospitals, dessen Gründung auf mehrere Stiftungen zurückgeht.
1899 / 1900
Umbau der Greffener St.-Johannes-Kirche zu einer neugotischen Hallenkirche nach Plänen von Hilger Hertel d. J.
1900 / 1901
Eröffnung der Teutoburger Wald Eisenbahn, zunächst bis Laer, dann bis Ibbenbüren. Durch die Nebenbahn ist Harsewinkel mit drei bedeutenden Eisenbahnmagistralen verbunden.
bis 1914
Durch die bessere verkehrsmäßige Erschließung und die Orientierung der landwírtschaftlichen Produktion auf den Markt hat seit 1880 ein wirtschaftlicher Aufschwung eingesetzt, der erst mit dem Beginn des 1. Weltkriegs zu Ende geht.
1903 / 1904
Bau des Turmes der St.-Lucia-Kirche.
1919
Übersiedlung der Landmaschinenfabrik Claas von Clarholz-Heerde nach Harsewinkel. Die Firma nimmt, nicht zuletzt auf Grund einiger wichtiger technischer Innovationen, einen raschen Aufschwung und beschäftigt am Vorabend des 2. Weltkriegs mehrere hundert Beschäftigte. Der gewerbliche Sektor überflügelt dadurch den landwirtschaftlichen an Bedeutung für die Beschäftigung.
1925
Ausbau der handwerklichen Schumacherei von Claves zu einer Fabrik, die bis Ende der 1960er-Jahre besteht.
1932 / 1933
Anders als im katholischen Umland und in Marienfeld steigt die NSDAP vor dem Zentrum zur stärksten politischen Kraft vor Ort auf.
1939 - 1945
Von direkten Einwirkungen des 2. Weltkriegs bleibt Harsewinkel weitgehend verschont. Die Bewohner spüren die Folgen des Krieges vor allem durch immer neue Einberufungen zum Militär und den zunehmenden Einsatz von zivilen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen in Landwirtschaft und Gewerbe.
1945, 1. April
Mit dem Einzug amerikanischer Truppen endet für Harsewinkel die nationalsozialistische Diktatur.
1946
Im Frühjahr kamen die ersten Flüchtlinge und Vertriebenen aus den an Polen gefallenen früheren deutschen Ostgebieten nach Harsewinkel, das bereits Evakuierte aus durch den Bombenkrieg zerstörten Städten aufgenommen hatte.
1954
Gründung der evangelisch lutherischen Kirchengemeinde. Durch den Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen lebten im vor 1945 fast ausschließlich katholischen Harsewinkel mittlerweile in so großer Zahl evangelische Christen, dass die Gründung einer eigenen Gemeinde und der Bau der Martin-Luther-Kirche notwendig wurden.
1950er-Jahre / 1960er-Jahre
Die weitere Technisierung der Landwirtschaft begünstigt des Landmaschinenherstellers Claas. In Harsewinkel, Greffen und Marienfeld entsteht eine Vielzahl von neuen Industriebetrieben. Die wirtschaftliche Entwicklung begünstigt nicht nur die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen, sondern ruft ein weiteres Bevölkerungswachstum hervor. Neue Wohnsiedlungen entstehen, die dörfliche Infrastruktur wird den Bedürfnissen einer vom Gewerbe geprägten Kleinstadt angepasst.
1973
Bildung der neuen Stadt Harsewinkel. Durch den Zusammenschluss der bisher im Amt Harsewinkel verbundenen Gemeinden Harsewinkel, Greffen und Marienfeld entsteht die neue Stadt Harsewinkel.